Auch wenn Johann Erasmus Kindermann überwiegend ernsthafte geistliche Musik komponiert hat, so sind doch einige Werke von ihm überliefert, die ihn als humorvollen
Menschen ausweisen, der aufmerksam das Zeitgeschehen beobachtet, um sich zu scherzhaften Kompositionen anregen zu lassen. In einem Sammelband mit dem Titel „Musicalischer Zeitvertreiber“ aus dem
Jahre 1655 sind einige Werke von Kindermann überliefert. Dieser Band befindet sich im Besitz der Stadtbibliothek Nürnberg.
Das "Nürnbergische Quodlibet" Stück beginnt mit dem Nachtwächterruf „Hört zu, lasst euch sagn, die Glock hat zwölfa gschlagn“, was auf ein mitternächtliches Treiben hinweist, denn 12 Uhr mittags ist mit Sicherheit nicht die Zeit einer Markteröffnung ebensowenig wie der Ruf des Nachtwächters in Verbindung steht mit einer normalen Marktszene. Das Warenangebot auf dem Markt erscheint recht üppig. Es reicht vom Feldsalat („Schoafmäula“) bis hin zum Hechelbrett und der Mausfalle, die früher oft von venezianischen Kleinhändlern in Deutschland feilgeboten wurden. Offensichtlich ist man auf der Hut und fürchtet, bei dem Treiben ertappt zu werden. Die plötzliche Stille (Takt 52) ist wohl in diesem Sinne zu verstehen. Auch für den Fall der plötzlichen Entdeckung ist man gewappnet, indem man blitzartig den Handel einstellt und sich scheinheilig in eine Kurrendegruppe ("Schulern") verwandelt, die den „feinen Herren“ ein Neujahrsständchen zu singen vorgibt. Das Geschenk, das dabei überreicht werden soll, ist dreist bescheiden, vielleicht ein Hinweis auf den allgemeinen Mangel an Gütern des täglichen Lebens (drei Hiffen = drei Hagebutten). Die Hoffnung „Es wird einmal ja besser wern…“ dürfte durchaus ernst gemeint sein angesichts der wirtschaftlichen Situation nach dem Dreißigjährigen Krieg. Abrupt bricht die Marktszene ab, die Händler laufen „hurti hechti“ fort, um dem „Sperren“ zu entgehen, das sich mit dem Nachtwächterhorn ankündigt. Offensichtlich ist man darüber nicht missvergnügt. Im Gegenteil, der vertraute Kreis der Händler hält abschließend fröhliche Einkehr und lässt die Marktnacht bei einem „Gläslein guten Weins“ ausklingen.