"Herr Gott, dich loben wir"


Der Text des angeblich bei der Taufe des Hl. Augustinus durch Bischof Ambrosius von Mailand entstandenen „Te Deum“ wurde von Martin Luther sehr geschätzt. Er schuf eine Nachdichtung in deutscher Sprache, die mit einer einfachen Melodiefassung als Wechselgesang für zwei Chöre sehr früh in die Gesangbücher („Rauschersches Gesangbuch“ / „Babstsches Gesangbuch“) aufgenommen und damit Bestandteil der lutherischen Liturgie wurde.

 

Die von Luther geschaffene Version des „Te Deum“ war in der Liturgie der Nürnberger Kirchen im 17. Jahrhundert noch fest verankert. Kindermann schuf mit seiner Vertonung ein Werk für den gottesdienstlichen Gebrauch. Dabei hielt er sich nicht nur streng an die Textvorlage Luthers, sondern verwendete auch melodische Motive aus der Originalvorlage. In der Wahl der kompositorischen Mittel beweist Kindermann die für ihn typische Eigenständigkeit, die es erlaubt, seine größer besetzten Werke als Vorläufer der Kirchenkantate zu sehen. Klangprächtige Tutti-Passagen der sechs Vokalstimmen verstärkt durch sechs Instrumente wechseln ab mit eher kammermusikalisch angelegten Teilen, bei denen Einzelstimmen, Stimmengruppen und Instrumente miteinander konzertieren.


"Ich will singen"


Die äußeren Umstände, unter denen Kindermann in Nürnberg lebte, waren alles andere als günstig. Zwar erhielt er bereits als Zwanzigjähriger eine feste Anstellung als 2. Organist an der Frauenkirche in Nürnberg und vier Jahre später als Hauptorganist an der Egidienkirche. Die angeseheneren und besser dotierten Stellen seiner Heimatstadt an den Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebald waren jedoch dauerhaft besetzt. Angesichts seiner stetig wachsenden Familie (insgesamt zwölf Kinder) und seiner wohl kärglichen Besoldung war Kindermann ständig um eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation bemüht. So ist es verständlich, dass er immer wieder Kompositionen den Ratsherren bedeutender Städte widmete, nicht nur, weil er dafür ein Honorar erwarten durfte, sondern auch, weil er sich für eine frei werdende Organistenstelle empfehlen wollte. Es liegt nahe, die Entstehungsgeschichte auch des vorliegenden Werkes in einem solchen Zusammenhang zu sehen. Es wurde nicht gedruckt, sondern dem Rat der Stadt Breslau gewidmet und als Handschrift zugesandt. Diese hat glücklicherweise die Wirren des 2. Weltkrieges überstanden und konnte so als Grundlage für die vorliegende Neuausgabe verwendet werden. Sie befindet sich heute im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Signatur Slg. Bohn Ms.mus. 159.

 

Der formale Aufbau des Werkes ist (wie bei "Lasset uns loben") dadurch gekennzeichnet, dass ein großbesetzter Hauptteil ("Rittornello") dreimal musiziert wird, dazwischen Solostimmen konzertieren und ein Schlussteil die letzte Wiederholung des "Rittornello" abrundet. Interessant ist auch der Einsatz der Instrumente. Kindermann bringt hier, wie bei vielen seiner Werke, drei Streichinstrumente (zwei Violinen und Violon) zum Einsatz, die in den Zwischenteilen auch mit den fünf Vokalsoli konzertieren. Das "Rittornello" verstärkt er jedoch durch einen vierstimmigen Bläsersatz mit Zink und drei Posaunen, die zunächst nur die Singstimmen duplizieren, zum Schluss aber eigenständig gesetzt sind und zu einer echten prachtvollen 12-Stimmigkeit führen. Dass Kindermann sich beim "Rittornello" einen vollen Klang vorstellt, zeigen seine Hinweise (z.B. "voce et violino" - "Solo") in den Vokalstimmen.

 


"Lasset uns loben"


 Kindermann hat sich auch in Frankfurt am Main mehrfach um eine Organistenstelle beworben. Man darf annehmen, dass er über seinen Kollegen Andreas Herbst auch gut über die dortigen musikalischen Verhältnisse informiert war. Schließlich war dieser ebenfalls aus Nürnberg stammende Musiker von 1623 bis 1636 städtischer Musikdirektor in Frankfurt. 

 

Kindermanns "Lob und Friedens Gedächtnus" ist zweifellos ein in vielerlei Hinsicht interessantes Werk, bei dem der Komponist seine Kreativität in recht markanter Weise zum Ausdruck bringt. Eigenwillig ist bereits die formale Anlage mit der dreimaligen Ausführung eines „Ritornello“, was diesem Teil eine wirkungsvolle Intensität verleiht. Die beiden Zwischenteile stehen in betont starkem Kontrast zueinander. Dabei demonstriert der erste in sehr origineller Weise, was es heißt, gottgefällig zu leben und „Musicam“ zu lernen. Der zweite dagegen zeichnet in seiner Schlichtheit und melodischen Eintönigkeit die Leere und Bedeutungslosigkeit eines Lebens ohne Gottesfurcht. Auffallend ist auch, wie Kindermann melodische und rhtythmische Motive mit kontrapunktischer Konsequenz zum Einsatz bringt.