Den gestrengen Geistlichen an den nürnbergischen Kirchen war es im 17. Jahrhundert ein großes Anliegen, dass das Pfarrvolk über den christlichen Glauben im Sinne der lutherischen Orthodoxie Bescheid wusste und sein Wissen in einer entsprechenden Lebensführung zum Ausdruck brachte. Die Kinderlehre und verschiedene Gottesdienstformen, die in Nürnberg gepflegt wurden, machen das sehr deutlich. In seinem Vorwort zur „Musica Catechetica“ nimmt Kindermann daher Bezug auf Luther und preist in dessen Sinne die Musik als eine Kraft, die "geschickte und tugendsame Leute macht". Der Satan ist ihr deshalb Feind, weil sie Theologie und Harmonie vereinigt und „gleichsam eine Theologica Musica zu nennen ist.“
Der originale Titel des Werkes lautet:
Musica Catechetica das ist Musicalischer Catechismus / auf die sechs Hauptstücke desselben gerichtet /
bey Kirchen / Schulen / und Privat-Music sehr nützlich und bequemlich zu gebrauchen,
Darbey noch zwey Gesänglein / vor und nach dem Essen / sampt einem angehengten Morgen-
und Abend-Gebet: Mit fünff singenden Stimmen sampt dem General-Bass componirt …
Ganz im Sinne dieses lutherischen Verständnisses von geistlicher Musik vertont also Kindermann die sechs Hauptstücke in Luthers "Kleinem Katechismus" und fügt ein „andächtiges Tischgebetlein wie auch Morgen- und Abendsegen“ dazu. Die Tatsache, dass zentrale liturgische Stücke teilweise in lateinischer Sprache vertont werden, zeigt, dass noch lange nach der Reformation gesungene lateinische Texte in lutherischen Gottesdiensten selbstverständlich waren, nicht zuletzt um den Lateinunterricht in den Schulen zu unterstützen. Die Kompositionstechnik berücksichtigt sehr deutlich auch musikpädagogische Anliegen: Es finden sich Concertino- und Tutti-Passagen von unterschiedlichem technischen Anspruch, was versierte Sänger/-innen entsprechend fordert, gleichzeitig aber auch die Einbeziehung weniger erfahrener Choristen ermöglicht.